In ihrer zweiten gemeinsamen Ausstellung erkunden Andreas Gehlen und Thorsten Krämer die futuristischen Mythen einer vergangenen Zeit. Inspiriert von den Pionieren und Anhängern der Para- und Pseudowissenschaften der 1970er und -80er Jahre sind in der Ausstellung Exponate von besonderer, eigentümlicher Magie zu finden.
Der Vorderraum wird von einem unförmig großen, sperrigen Objekt dominiert. Es ist eine mit schwarzer Folie umkleidete Konstruktion, brüchig in der Oberfläche, die teilweise Licht auf ihrer heterogen gespannten und in Falten gelegten Haut reflektiert. Ein Element liegt neben der Plastik und die Öffnung gibt den Blick in sein Inneres frei: aufwändig verschweißte Stahlmodule – eine hochkomplexe Struktur, die Andreas Gehlen wie ein Puzzle zusammengesetzt hat – formen den Korpus und geben der saloppen, schwarzen Hülle ihre Form. Das dünnhäutige Außen und der aufwändig konstruierte Innenraum erzeugen eine Spannung in der Rezeption, der Blick ins Innere ist wie der Blick in eine unbekannte Maschine. Ist das schwarze Objekt vielleicht eine Raumkapsel? Ein Meteorit?
Im Dialog mit dem Objekt steht die filmische Arbeit Thorsten Krämers. Ein kleiner, veralteter Laptop hängt gegenüber der Arbeit unter der Decke des Vorderraums und zeigt den Künstler, wie er sich auf engem Raum bewegt. Ist es vielleicht dasjenige Ding im Raum, in dem sich der Künstler im Video aufhält bzw. aufhielt?
Die Entdeckerreise setzt sich fort, indem man der Spur eines lose befestigten Audiokabels bis in den Hinterraum folgt. Der Blick tastet sich forschend zum verdunkelten Raum, in dem die Soundspur der Videoarbeit im Off läuft. Die Stimme (gesprochen von Daniel Werner) erzählt von dem Versuch, Zugang zu einer prähistorischen Klinge im Arbeitszimmer des Vaters zu erhalten.
Mittig im Raum steht ein durch spärliches Licht effektvoll inszenierter weißer Sockel. Auf diesem Sockel sind drei Dolche unter einer Glasvitrine ausgelegt. Die Exponate stammen aus dem archäologischen Sammlungsarchiv von Andreas Gehlens Vater. Es sind Grabbeigaben, die als rituelle Artefakte ihre Verwendung fanden und die der Vater in der eigenen Famliensammlung in einer Vitrine aufbewahrt hielt. Das älteste Objekt stammt aus dem 3. Jahrtausend v.Chr. und erzeugt einen besonderen Kontrastmoment: inmitten der Innenstadt, in einem Off-Raum am Ebertplatz, entsteht unerwartet eine Begegnung mit Zeugnissen, die weit über die Existenz des Kunstraums, des Ebertplatzes und der gesamten Geschichte der Stadt Köln hinaus geht.
EXTRA, der Begriff umfasst alles, das außerhalb, „über etwas hinaus“ reicht. Der bekannte Stellvertreter Erich von Däniken prägte in den 70er- und 80er Jahren den Zweig der Prä-Astronautik, eine Wissenschaft, die die Existenz Ausserirdischer anhand archäologischer Funde erläuterte und Artefakten so neue historische Zusammenhänge zuschrieb. Auch die Dolche erfahren im Ausstellungskontext eine neue Konnotation, denn hier verbinden sich Anekdoten, Narrationen, Fakten und Phantasien. Eine neue Vergangenheit – die echte Vergangenheit.
Und, gibt es einen Doppelgänger im Orbit?
Andreas Gehlen ist bildender Künstler, wurde in Bonn geboren und wuchs in Chile, Jugoslavien, Rumänien und Spanien auf. Das Kunststudium absolvierte er in Braunschweig. Der in Köln lebende und als freier Schriftsteller arbeitende Thorsten Krämer sucht die literarische Auseinandersetzung in der Ausstellung.
Vorderraum
Andreas Gehlen: EXTRA,
Stahl, Folie, Schrauben, Maße variabel (2016)
Hinterraum
Andreas Gehlen:
1. Fischschwanzdolch aus Flintstein, Ritualdolch (Nord-/ Mitteldeutschl. 3. Jtsd. v. Chr.)
2. Dolch aus Schiefergestein, Ritualdolch (Süd China/ Korea, 2. Jtsd. v. Chr.)
3. Bronzener Triangularer Vollgriffdolch, Ritualdolch (Norddeutschl./ Dänemark, 18.–17. Jhdt. v. Chr.)
Beide Räume
Thorsten Krämer: Wostok 1,
Video-Loop, 13:35 min. Sprecher: Daniel Werner. EXTRA regular. Font. (2016)
Programm der Tiefgarage:
7. Oktober – 20. November 2016 Andreas Gehlen & Thorsten Krämer – EXTRA
Samstag 22. Oktober 22.00-01.00 Uhr We Travel The Spaceways. Sun Ra Special mit Wolfgang Brauneis & Frank Dommert / a-Musik zur Nacht AIC ON 2016 – Art Initatives Cologne
Dienstag 25. Oktober Owen Gardner und Andrew Bernstein Beginn 20.00 Uhr
Samstag 29.Oktober ab 19.00 Uhr Kölner Museumsnacht